Politik und Propaganda

Politik und Propaganda

Comics dienen nicht nur der Unterhaltung, sondern eignen sich auch ideal zur Vermittlung von politischen Positionen. Dies einerseits in Form von Propaganda, andererseits aber auch als Kritik und Satire in Form von Cartoons und Comicstrips. Sie bieten die Möglichkeit, komplexe Zusammenhänge prägnant und pointiert darzustellen und beim Publikum eine emotionale Reaktion auszulösen.

 

Xiconhoca, der Saboteur

Abb. 1: Xiconhoca ist ein Parasit. Er verweigert die Arbeit und beteiligt sich nicht an der Produktion. FRELIMO (Hg.): Xiconhoca o enemigo. Maputo 1979, o.S.

Ein Beispiel für eine Cartoonfigur, die der Propaganda dient, ist Xiconhoca aus Mosambik. Als das Land 1975 nach einem zehnjährigen Krieg die Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Portugal erlangte, etablierte die ehemalige Befreiungsbewegung FRELIMO (Frente de Libertação de Moçambique) einen sozialistischen Einparteienstaat. Die junge Nation stand nach mehreren Jahrhunderten Kolonialherrschaft vor vielen Problemen, einerseits wirtschaftlich und politisch, andererseits durch die Feindseligkeit der immer noch von Apartheidregimes regierten Nachbarn Rhodesien (heutiges Zimbabwe) und Südafrika. In diesem Kontext entstand die Cartoonfigur des Xiconhoca, die 1976 vom Departement für Information und Propaganda in der Zeitschrift Tempo vorgestellt wurde[23]. Xiconhoca war paradigmatisch für den inneren Feind; er repräsentierte alles, was der neue sozialistische Staat ablehnte. Sein Name setzt sich aus Xico (von Xico-Feio, eine Bezeichnung für einen Agenten des kolonialen Geheimdienstes) und Nhoca (dem Wort für Schlange in den meisten mosambikanischen Sprachen) zusammen[24]. Xiconhoca unterstützte die äusseren Feinde des Landes, verkaufte Waren auf dem Schwarzmarkt und war korrupt und faul. Er wurde fast immer mit einer Flasche Alkohol und einem Cannabiszweig in der Hosentasche dargestellt. Das Gegenbild zu Xiconhoca war der Homo Novo, der aufrechte und fortschrittliche sozialistische Bürger.

 

Durch die wirtschaftlichen Probleme des Landes fokussierten sich die Kampagnen, in denen Xiconhoca zum Einsatz kam, zunehmend auf alltägliche Probleme wie etwa Wartezeiten bei der Gesundheitsversorgung oder die Nahrungsmittelknappheit[25]. Xiconhoca wurde als Profiteur dargestellt, der die Planwirtschaft umging und auf dem Schwarzmarkt Lebensmittel verkaufte, oder als Beamter, der Schmiergeld verlangte. So versuchte die Regierung, innere Feinde als Verursacher von Versorgungsschwierigkeiten darzustellen. Nach dem Ende des Bürgerkrieges 1992 und den demokratischen Wahlen 1994 verschwand Xiconhoca als Propagandafigur der Regierung. Er lebt jedoch in der Umgangssprache weiter als Bezeichnung für jemanden, der sich auf unsaubere Weise einen Vorteil zu verschaffen weiss, etwa durch Bestechung[26].

Cartoons in Südafrika

Satirische Zeitungscartoons und Comicstrips sind heute in Afrika verbreitet und beliebt. Für viele Cartoonisten ist es aber schwierig, ein Auskommen zu finden; einerseits aufgrund politischer Repression und Zensur, andererseits, weil die Künstler für ihre Arbeit nicht ausreichend bezahlt werden. Es gibt in vielen afrikanischen Ländern nur wenige Zeitungen, und diese haben oft geringe Auflagen[27]. In vielen afrikanischen Ländern existiert jedoch, auch dank des Internets, eine vielfältige Landschaft von Comicstrips und Cartoons, insbesondere auch in Südafrika, das eine lange und reiche Tradition von politischen Zeitungscartoons hat.

 

 

Zapiro

Abb. 2: The Rape of Justice spielt auf einen Vergewaltigungsprozess gegen den damaligen Präsidentschaftskandidaten Jacob Zuma an, in dessen Verlauf Zumas Anhänger Druck auf die Justiz auszuüben versuchten. Der Cartoon löste heftige Reaktionen aus. Zapiro / Wills, Mike: Democrazy. Auckland Park 2014, S. 151.

Der als Zapiro bekannte Jonathan Shapiro (geb. 1958) ist heute wohl der bekannteste Cartoonist Südafrikas. Als Unterstützer der Anti-Apartheid-Bewegung ging er nach dem demokratischen Übergang in den 90er Jahren lange schonend mit der Regierung um, ist heute aber einer der schärfsten Kritiker der südafrikanischen Politik. Porträtierte er Nelson Mandela zumeist noch als gütigen Landesvater Madiba, wurde der ehemalige Präsident Jacob Zuma fast immer mit einer Dusche auf dem Kopf dargestellt: eine Anspielung auf einen Vergewaltigungsprozess, in dessen Rahmen Zuma erklärt hatte, er habe sich vor einer Ansteckung mit AIDS geschützt, indem er eine Dusche genommen habe. So erscheint Zuma auch in einem der berühmtesten und umstrittensten Cartoons von Zapiro, The Rape of Justice Dieser spielt auf Versuche der politischen Verbündeten Zumas an, im Zuge des oben erwähnten Vergewaltigungsprozesses Druck auf die Justiz auszuüben. Das Bild löste heftige Reaktionen aus, auch unter Unterstützern von Zapiro[28]. Obwohl er auf einen konkreten Prozess anspielt, beinhaltet er doch auch das rassistische Stereotyp des gefährlichen schwarzen Mannes, der sich an weissen Frauen vergeht. Zapiro zeichnete die Figur der Justitia zwar als schwarze Frau, ikonographisch wird sie jedoch meist als weiss dargestellt. Verstärkt wird die Wirkung durch die Epidemie der sexuellen Gewalt in Südafrika. Der Cartoon führte zu Rassismusvorwürfen, Protesten und Demonstrationen gegen Zapiro und die Zeitung. Zuma strengte erfolglos einen Verleumdungsprozess an, und eine stärkere Kontrolle der Presse wurde diskutiert, aber verworfen. Zuma war von 2009 bis 2018 Ministerpräsident Südafrikas und blieb damit eine häufige Zielscheibe für Zapiro.

 

Weitere häufige Angriffsziele Zapiros sind die lange Zeit mangelhafte AIDS-Politik der südafrikanischen Regierung sowie die Korruption und die Spaltungen in der Gesellschaft. Dass Zapiros Werk Kontroversen hervorruft, liegt einerseits in der Natur des Cartoons, der komplexe Themen in ein einziges Panel zwingt und dabei eine oft überzeichnete Aussage macht, und andererseits an Zapiros scharfem Gespür für wunde Punkte. Die Spannung zwischen freier Meinungsäusserung und dem Schutz vor Diskriminierung und Herabsetzung ist nicht nur in Südafrika, sondern auf der ganzen Welt immer wieder ein Thema. Gerade Zapiros Arbeit zeigt aber auch, dass Cartoons das Potenzial haben, wichtige Diskussionen über offene gesellschaftliche Fragen und Missstände anzuregen.

 

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