Alltag

Alltag in afrikanischen Comics

Genau genommen existiert „Alltag“ als Comic-Genre nicht. Jedoch lassen sich mit Hilfe des Mediums Comic neue und anschauliche Beispiele für Alltag in Afrika herauslesen.  Das Feld um diesen Begriff kann sich beispielsweise mit Themen des Familienlebens, mit Bildung, Gewalt, Geschlechterrollen, finanzieller Not, Gesundheit, Rassendiskriminierung, Migration, Liebe und Sexualität befassen.

 

Aya de Yopougon

Eine Comic-Serie, die in Europa eine grosse Bekanntheit geniesst und Alltag auf einprägsame Art illustriert, ist die sechsbändige Reihe Aya der ivorischen Autorin Marguerite Abouet[17] und des französischen Zeichners Clément Oubrerie. Die Comic-Reihe Aya ist Abouets erstes Werk und beinhaltet autobiographische Elemente ihrer Kindheit in Côte d’Ivoire.[18] Hauptakteurin ist die junge Frau Aya aus Yopougon, einem Vorort von Abidjan. Die Bände zeigen auf ausdrucksstarke und humorvolle Weise, wie der Alltag in Côte d’Ivoire in den 1970er-Jahren aussah. Alle Geschichten spielen in „Yop City“ in der Zeit fast unmittelbar nach Erlangen der Unabhängigkeit. Einer Zeit des Aufschwungs, in der sich eine neue, besser situierte Mittelschicht herauszubilden begann. Die Beziehungen zu den Nachbarländern und zur ehemaligen Kolonialmacht Frankreich wurden intensiv gepflegt. So entstand eine einzigartige Mischung afrikanischer Kulturen und moderner westlicher Ideale. Dies hatte direkte Auswirkungen auf Themen wie Bildung, Sprache oder auf die Rechte der Frauen, die auch in Aya behandelt werden.[19]

 

Abb. 1: Splash page: Félicité besucht ein Restaurant. Mit den Farben wird die spezielle Atmosphäre bei der Dämmerung zum Ausdruck gebracht. Abouet, Marguerite / Oubrerie, Clément: Aya de Yopougon, Bd. 1. Paris 2005, S. 77.

Alltagsszenen werden nicht nur in der Handlung auf einer sekundären Ebene gezeigt, sondern finden sich ebenso in den ganzseitigen Panels. Solche Splash Pages vermitteln einen atmosphärischen Eindruck vom Alltagsleben im Ort. Die Wahl der Sprache im Comic ist oft ein wunderbares Mittel, um dem Leser Alltag in Afrika näher zu bringen. Im Fall von Aya ist dies auch sprachhistorisch interessant, da die Geschichte in den 1970ern spielt. So finden sich Trendwörter oder Ritualfloskeln der damaligen Zeit, welche „typisch“ für einen afrikanischen (hier ivorischen) Alltag sind.[20] Zusätzlich kann das Medium Comic typische Kommunikations- und Umgangsformen im Alltag aufzeigen: So ist beispielsweise das Gespräch zwischen Ayas Mutter und Adjoua bezeichnend für die (zumindest im frankophonen Westafrika) typischen Begrüssungsrituale, bei denen zuerst nach dem Wohlergehen des Vaters, der Mutter und der Geschwister gefragt wird, bevor man sich eingehender nach dem Befinden des direkten Gesprächspartners erkundet.[21]

 

Le retour au pays d’Alphonse Madiba dit Daudet

Der Comic Le retour au pays d’Alphonse Madiba dit Daudet von Christophe N’galle Edimo und Al’Mata erzählt die Missgeschicke eines jungen Mannes namens Alphonse, der an mehreren Universitäten in Frankreich scheitert und daraufhin ausgewiesen wird. Zurück in seinem Heimatland „La République de Balaphonie“ (fiktiver Name für ein beliebiges frankophones afrikanisches Land) gibt er sich als „hochqualifizierter Gelehrter“ aus. Allein durch den Aufenthalt im Ausland nimmt er in der Dorfgemeinschaft eine bessere Stellung ein. Alphonse ist sich dieser Position bewusst und weiss, wie er sie ausnutzen kann und behauptet, ein hohes Amt würde auf ihn warten. Nach und nach wird aber klar, dass er es vorzieht, auf der faulen Haut zu liegen, als wie versprochen Lösungen für die Probleme des Landes zu finden. Der Comic zeigt auf, welche Hoffnungen – der Familie und des ganzen Dorfes – nach der Rückkehr aus Europa auf den jungen Mann gesetzt werden. Und wie schwer es ihm fällt, sein Versagen zu gestehen und seine Familie zu enttäuschen. So thematisiert der Comic, welchen Einfluss Migrationsprozesse auf die Identität einer Person haben können. Die familiären und internationalen Beziehungskonstellationen sind Teil des Alltags in afrikanischen Ländern, in denen eine Vernetzung zur ursprünglichen Kolonialmacht (in diesem Fall zu Frankreich) stark ausgeprägt ist.

 

Kililana Song

Abb. 2: Naim ist wieder einmal vor seinem Bruder geflüchtet, als der ihn in die Koranschule mitnehmen wollte. Flao, Benjamin: Kililana Song, Bd. 1. Hamburg 2012, S. 22.

Kililana Song ist ein zweiteiliger Comic vom französischen Autor und Zeichner Benjamin Flao. Die Geschichte spielt hauptsächlich in Lamu, einer kleinen Stadt auf einer Sandinsel vor der kenianischen Küste, und handelt vom Alltag des Strassenjungen Naim und seinem Leben zwischen Tradition und Moderne. Seine Tage sind geprägt von der Flucht vor seinem Bruder, der ihn zwingen möchte, zur Koranschule zu gehen. Er verbringt seine Zeit lieber mit Freunden und versorgt einen alten Mann mit Drogen. Illegaler Qat-Handel und der Kokainkonsum der weissen Bevölkerung werden in dieser Graphic Novel als Alltagsthema behandelt.

 

Die Idee zu Kililana Song entstand auf Flaos Reisen durch Kenia und Eritrea. Der Autor zeigt neben dem brisanten Thema des Drogenkonsums auch die idyllische Seite des Alltagslebens. Die sich auf einer Insel befindende Stadt Lamu ist beispielsweise autofrei und wurde 2001 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen: Die Fusion unterschiedlichster Bautechniken (arabisch-islamisch, westlich, indisch, persisch, und mit Einwirkung der Swahili) spiegelt sich in der Architektur in der über 700 Jahre alten Stadt wider. [22]

 

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