Hip-Hop

Eine Diaspora-Kultur zu Hause: Südafrikanischer Hip-Hop

Seit Mitte der 80er Jahre machte sich Hip-Hop in Südafrika bemerkbar. In den Clubs wurde Hip-Hop-Musik gespielt, Jugendliche tanzten und kleideten sich nach dem Vorbild US-amerikanischer Hip-Hop-Filme, und an den Wänden Kapstadts tauchten Graffiti auf.[69] Die soziale Realität – besonders für sogenannte „Schwarze“ und „Farbige“ – wurde jedoch durch das Apartheid-Regime bestimmt.

 

Rassismus, Zwangsumsiedlung und Segregation, Polizeigewalt, Armut, Perspektivlosigkeit und fehlende Freizeitmöglichkeiten: Die sich verschärfende politische Situation Ende der 80er Jahre beschleunigte die Politisierung des Hip-Hops. Mit Prophets Of Da City (POC) und Black Noise aus Kapstadt entstanden die beiden ersten Hip-Hop Crews, die Südafrika auf die Weltkarte des Hip-Hops brachten. In den USA trug die Zulu Nation, 1974 von Afrika Bambaataa in New York gegründet, entscheidend dazu bei, die Jugendlichen mit der Hip-Hop-Kultur als positives Ventil und sozialer Bewegung zusammenzubringen und damit der Bandengewalt entgegenzuwirken. Mit dem Verbundprojekt Hip-Hop Against Apartheid unterstützten sie direkt den ANC in Südafrika. Diese Black Consciousness durchdrang Crews wie X-Clan oder die Native Tongues und beeinflusste die Pioniere der ersten Stunde in Südafrika, die es verstanden, auch auf dem lokalen Erbe von Pionieren wie Steve Biko aufzubauen.

 

Wissen, oder Knowledge, wurde als fünftes Element – neben MC‘ing, Breakdance, Graffiti und DJ‘ing – von Anfang an zu einem festen Bestandteil der Hip-Hop-Kultur, die es ermöglichte, eine selbstbewusste Identität zu etablieren. Eine Identität, die sowohl durch den Hip-Hop konstruiert als auch durch ihn zum Ausdruck gebracht werden konnte, die aber auch immer Teil einer Realität war: Einer Realität, in der die Regierung POC-Texte zensierte und in der Radio- und Fernsehsender die Songs boykottierten.[70] Dem zum Trotz war Hip-Hop in dieser Anfangsphase ein Vehikel für Bildung, für Empowerment, gepaart mit revolutionärem und sozialem Engagement.[71]

 

Prophets of Da City (POC). <http://africasacountry.com/wp-content/uploads/2014/06/POC1.png> [24.01.2018].

Ab Ende der 90er Jahre bildeten sich landesweit neue Crews. Mit sozialkritischen Texten betraten in Kapstadt die Brasse Vannie Kaap und die legendäre all-female Crew Godessa die Bühne. In Johannesburg wurden die Rhyme and Reason Crew and Cashless Society gegründet. In Durban tauchte The Big Idea Crew auf und Zulu Boy veröffentlichte 2006 das erste Rap-Album in isiZulu.[72] Der Gebrauch verschiedener Sprachen sowie code-switching wurden als Marker einer glokalisierten Identität verwendet. Die politische Bewegung der POC-Ära verlor jedoch an Schwung. Aus wirtschaftlichen Gründen, aber auch wegen der bewussten, lyrisch anspruchsvollen Musik, die für das Kluberlebnis weit weniger attraktiv war, kehrte Hip-Hop als Bewegung für sozialen Wandel in den Untergrund zurück[73].

 

In den Jahren nach 1994, nach der Apartheid und der anschliessenden Lockerung der Zensur, schwanden die Interessen der Major Labels an der Vermarktung von Hip-Hop zusätzlich – nicht zuletzt auch wegen des Aufkommens des neuen Genres Kwaito. Dies erforderte Anstrengungen zur Neuerfindung und zur Unabhängigkeit auf allen Ebenen des Produktionsprozesses: Von der Musikausrüstung über Homerecording bis hin zu Vertrieb und Management. Ein wichtiges Werk für die unabhängige Hip-Hop-Szene war das Album Error Era von Hymphatic Tabs im Jahr 2001, das den Grundstein für viele spätere Alben legte.

 

Robo the Technician, CD Cover. Iapetus: Robo The Technician, 2009. <https://iapetusrecords.bandcamp.com/ album/robo-the-technician> [24.01.2018].

Ein grosser Durchbruch war Yugen Blakrok’s international beachtetes Album The Return of the Astro-Goth, das 2013 unter Iapetus Records veröffentlicht wurde. Das in Johannesburg ansässige Label hat sich stark der Kultur verschrieben und entwickelte  sich zu einer Plattform für den unabhängigen südafrikanischen Hip-Hop. Obwohl starke Momente der Sozialkritik zum Vorschein treten, sind die Künstler unter Iapetus weniger offen politisch, sondern bauen stark auf Esoterik, Weltraum-Metaphorik und afro-futuristischer Ästhetik auf. Es dient als Heimatbasis, um tiefer in den kulturellen Gewölben und lyrischen Goldminen zu graben, die vom bewussten Hip-Hop übriggeblieben sind, während es gleichzeitig den Schwerpunkt auf ihre einzigartige Herangehensweise an die Materie legt.

 

 

Prophets of Da City: Never Again, auf: ebd.: Never Again, Beggars Banquet Records 1994.

 

Yugen Blakrok: Neo.Vadar, auf: ebd.: The Return of the Astro-Goth, Iapetus Records 2013.

 

Lyrics: Neo.Vadar

After sunshine, comes the rain – some laugh, looking for pain

And sabotage their thought trains, crashing, burning in vain

But when the artist in nature puts the rhythm in the poetry

Build character, pass traditions orally to progeny

So the dominant gene can survive through the ages

Stand the test of time like sacred knowledge from the ancients

 

Now I walk these legendary paths armed with poetic bars

Beyond deserted minds where even knowledge is sparse

And chant mantras, even in sleep I stay hypnotized

I am but a dream inside the infinite mind

 

 

YouTube-Playlist

 

 

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